Einige markante Beispiele für Trübsinn und Elegie im Zusammenhang mit dem Monat November in der Popmusik
Unter allen Problemmonaten ist der November der problematischste. Zwischen dem Abwimmeln beharrlicher Martinssänger, dem Verwalten langwieriger Viruserkrankungen und den zähen Verhandlungen mit mehr oder minder lieben Familienmitgliedern über die in diesem Jahr besonders komplizierte Weihnachtsplanung, kann sensiblen Zeitgenossen auch schon mal ein Gedanke kommen wie dieser: Wenn der November schon so schlimm ist, wie mag dann erst der Februar werden? Doch während der Februar immerhin baldige Besserung zu verheißen in der Lage ist, droht im November nur der Untergang.
In der Popmusik wird der November als Synonym für alles Trübe und Triste ausgesprochen gern thematisiert. Vor allem von Musikern, die sich in ihrem Werk auf das Trübe und Triste spezialisiert haben. Der Erzherzog alles Trüben und Tristen ist natürlich Morrissey. Im Grunde handelt ein jedes seiner Lieder vom November, doch nur „November Spawned A Monster“ führt den grauslichen Monat im Titel. Im Text setzt es die übliche Litanei: Von einem „poor twisted child“ und „a hostage to kindness“ ist die Rede. Was irritieren muss, ist das Video, hat es doch so gar nichts Novembriges: Wir sehen den Sänger beim Durchtänzeln einer wüstenartigen Landschaft, wobei die Darbietung des Künstlers die Grenze zum fortgeschritten Beknackten überschreitet.
Ein einigermaßen positives Novemberbild weiß Vashti Bunyan in „Rose Hip November“ zu zeichnen: „Rose hip November/ Autumn I’ll remember/ Gold landing at our door/ Catch one leaf and fortune will surround you evermore.“ Dazu flötet und glöckelt es, dass man geneigt ist, sofort eine hippieske Zierdecke zu steppen. „Now a pipe is heard“, singt die Sängerin, und prompt setzt eine solche ein. Ferner waren Großstadtdepressionen selten.
„Mr. November“ von The National enthält allerhand prickelnde Textzeilen, von denen „I used to be carried in the arms of cheerleaders“ sicher die bildhafteste ist. Die Information, dass das Lied von John Kerry, dem Präsidentschaftskandidaten der amerikanischen Demokraten von 2004, handelt, kann da nur enttäuschen, hilft sie doch Trostsuchenden in Herbstbelangen so gar nicht weiter.
Den Pokal für den novembrigsten Novembersong darf sich Tom Waits in die Blockhütte stellen. Natürlich fängt ein Tom-Waits-Stück, das „November“ heißt, mit einer singenden Säge an. Alles andere wäre auch Quatsch gewesen. Darüber hinaus wird hier alles Schlechte, was zum Thema gesagt werden kann, gesagt: „November has tied me/ To an old dead tree/ Get word to April/ To rescue me.“ Der Protagonist hängt an der kalten Kette des Novembers, kein Schatten, keine Sterne, kein Mond, kein Kümmern. Grundgütiger, genau so ist’s! Und dann auch noch dieses Theatergeleier, bei dem man jeden Stuhl knirschen hört.
Auch im klassischen Indie-Rock nahm man sich des Themas an. The Folk Implosion, ein Nebenprojekt des Dinosaur-Jr.-Bassisten und Sebadoh-Frontmanns Lou Barlow, konzentrierte sich in seiner Betrachtung der dunkelsten aller Herbstwochen auf die Freuden des Kürbiskuchenverzehrs.
Das faszinierendste Stück, das den November im Titel führt, ist Sandy Dennys „Late November“, eine rätselhafte Ballade voller dräuender Zeilen: „The depths of the waters, the bridge which distraught us/ And brought to me thoughts of the ill-fated day.“ Tatsächlich ist überliefert, dass Dennys Lied auf einem Erlebnis aus dem Jahr 1969 basiert, als sie bei einem Spaziergang an der schottischen Küste Zeugin eines Flugzeugabsturzes wurde.
Ach, wer die Erwähnung von „November Rain“ von Guns N’Roses oder Wyclef Jeans „Gone Till November“ vermisst haben sollte: Guns N’Roses zählen – neben unter anderem Autos, Fußball, amerikanischen TV-Serien und Wyclef Jean – zu den 347 Dingen, für die sich Ihr treuer Kolumnist nicht die Bohne interessiert. Auch und erst recht nicht im November.