Eine unter Musikjournalisten sehr beliebte Gepflogenheit ist es, wenig beklatschte Bands als „zu Unrecht“ beziehungsweise als „sträflich unterschätzt“ zu bezeichnen und sich somit einen warmen Platz in der Distinktionsküche zu sichern.
Viel zu wenig aber wird über völlig zu Recht unterschätzte Bands geschrieben. Bands mithin, deren Wieder- bzw. Neuentdeckung durch nachgeborene Checkertypen in nächster Zeit nicht zu erwarten ist. An drei Vertreter dieses Typus sei heute an dieser Stelle erinnert. Manege auf, Vorhang frei!
Erstens: Smokie.
In den späten Siebzigern musste das britische Quintett einem deutschen Dorfjungen wie die größte Band der Welt vorkommen. Mit ihren simplen Rock-Schlagern, die meist klangen wie Rod Stewart für Fußgänger, waren die Jungs um Mädchenschwarm Chris Norman in jeder Ausgabe von Ilja Richters „disco“ dabei, wo sie sonderbar beiläufig zum Vollplayback agierten und sich während der Instrumental-Passagen gar miteinander unterhielten!
Fahrt nahm die Karriere der Band auf, nachdem sich die Musiker vertraglich an das Songwriter-Duo Nicky Chinn und Mike Chapman, das auch an Mud, Sweet und Suzi Quatro lieferte, sowie den Manager Mickie Most gebunden hatten. Letzterer gilt heute als einer der erfolgreichsten britischen Pop-Produzenten der Sechziger und Siebziger.
Nachdem Smokey Robinson der Band das y weggeklagt hatte und aus Smokey Smokie geworden waren, gelang ihnen 1977 endgültig der Durchbruch. Allein in Deutschland stand die Band in jenem Jahr mit „Living Next Door To Alice“ (ursprünglich 1972 von Chinn/Chapman für die Band New World geschrieben) und „Lay Back In The Arms Of Someone“ 14 Wochen lang auf Platz 1 der Charts. Nach zahlreichen weiteren Hits und ebenso zahlreichen „Bravo“-Ottos war 1982 Schluss. Wie gesagt, mehr als Rummelplatz-Pop-Rock waren Smokie nie, aber die Nummer mit dem Sich-während-der-Instrumentalparts-miteinander-Unterhalten war schon gut.
Zweitens: Mike & The Mechanics.
Nachdem er eine Weile die Solo-Erfolge von Peter Gabriel und Phil Collins beobachtet hatte, drängte es auch den unscheinbaren Genesis-Gitarristen Mike Rutherford zur Verwirklichung innerhalb eines Zweitprojekts. Da er auf seinen zwei Soloalben als Sänger wenig zu beeindrucken wusste, suchte er mit Mike + The Mechanics gewissermaßen die Flucht nach hinten und stellte mit Paul Carrack und Paul Young gleich zwei Frontmänner an die Rampe. Allzu große kreative Ambitionen waren von beiden nicht zu befürchten, sodass Rutherford sich ganz als Hauptkomponist verwirklichen konnte.
Das erste, 1985 veröffentlichte Album warf sofort zwei Hit-Singles ab: das sehr achtzigermäßig betitelte „Silent Running (On Dangerous Ground)“ und „All I Need Is A Miracle“. Inzwischen singt Andrew Roachford bei Mike + The Mechanics, dessen früheres Solo-Werk seit den Neunzigern in keiner Lokalradio-Playlist fehlen darf. 2017 erschien ein neues Album von Mike + The Mechanics. Eine Studie alten wie neuen Materials nährt keinerlei Befürchtungen, die Band könnte allzu bald von hippen Nachgeborenen neu entdeckt werden.
Drittens: die Dave Matthews Band.
Das muss man dieser durch und durch ungefährlichen Pop-Rock-Band lassen: Ihre Musik klingt exakt so, wie die Gruppe heißt. Guys-Next-Door-Musik, die vor allem in den Neunzigern massiv erfolgreich war. Die Band ist immer noch aktiv: 2016 unterstützte sie bei den Vorwahlen in Kalifornien Bernie Sanders. Im Falle dieser Band besteht freilich im Rahmen des grassierenden Neunziger-Revivals durchaus noch die Möglichkeit, dass sie von Musikjournalisten, die Nineties-Next-Door-Rock zum großen neuen Ding ausrufen, als „sträflich unterschätzt“ bezeichnet und wiederentdeckt wird. Vielleicht gemeinsam mit Hootie & The Blowfish.
Was die faszinierende Welt der völlig zu Recht unterschätzten Bands vergangener Dekaden angeht, müssen wir irgendwann aber auch noch mal ganz dringend über Uriah Heep, Moti Special, Savage Garden und Sum 41 reden.